Schlacht im Teutoburger Wald, Hermannsschlacht  oder Varusschlacht

In der Varusschlacht (auch Schlacht im Teutoburger Wald oder Hermannsschlacht, von römischen Schriftstellern als clades Variana, als „Varusniederlage“ bezeichnet) erlitten in der zweiten Hälfte des Jahres 9 n. Chr. drei römische Legionen samt Hilfstruppen und Tross unter Publius Quinctilius Varus in Germanien eine vernichtende Niederlage gegen ein germanisches Heer unter Führung des Arminius („Hermann“), eines Fürsten der Cherusker.

 

Die Schlacht, in der ein Achtel des Gesamtheeres des Römischen Reiches vernichtet wurde, leitete das Ende der römischen Bemühungen ein, die rechtsrheinischen Gebiete Germaniens bis zur Elbe (Fluvius Albis) zu einer Provinz des Römischen Reiches zu machen (Augusteische Germanenkriege). Sie gehört daher zu den wichtigsten Ereignissen in der Geschichte der Römer in Germanien und der Entwicklung Germaniens.

 

Als Ort der Schlacht werden verschiedene Stätten in Ostwestfalen, Norddeutschland und in den Niederlanden vermutet. Seit Ende der 1980er Jahre werden intensive archäologische Ausgrabungen in der Fundregion Kalkriese am Wiehengebirge im Osnabrücker Land durchgeführt, die den Ort zu einem Favoriten in der Diskussion als Stätte der Varusschlacht machten, wobei die Lokalisierung zunächst als so wahrscheinlich galt, dass es vor Ort zur Errichtung eines Museums kam. Das Hermannsdenkmal bei Detmold im Teutoburger Wald erinnert an die Varusschlacht. 

Der römische Statthalter Varus

Varus befand sich weit im Inneren Germaniens. Die übrigen zwei Legionen Legio I und Legio V waren unter der Führung von Varus’ Neffen, Lucius Nonius Asprenas, in Mogontiacum (Mainz) stationiert.

 

Der römische Historiker Cassius Dio schreibt im 3. Jahrhundert über die Situation der Römer vor Ort und die von Varus angeblich begangenen Fehleinschätzungen:

 

    „Die Römer besaßen zwar einige Teile dieses Landes, doch kein zusammenhängendes Gebiet, sondern wie sie es gerade zufällig erobert hatten […] Ihre Soldaten bezogen hier ihre Winterquartiere, Städte wurden gegründet und die Barbaren passten sich der römischen Lebensweise an, besuchten die Märkte und hielten friedliche Zusammenkünfte ab. Freilich hatten sie auch nicht die Sitten ihrer Väter, ihre angeborene Wesensart, ihre unabhängige Lebensweise und die Macht ihrer Waffen vergessen. Solange sie allmählich und behutsam umlernten, fiel ihnen der Wechsel ihrer Lebensweise nicht schwer – sie fühlten die Veränderung nicht einmal. Als aber Quinctilius Varus den Oberbefehl über Germanien übernahm und sie zu rasch umformen wollte, indem er ihre Verhältnisse kraft seiner Amtsgewalt regelte, ihnen auch sonst wie Unterworfenen Vorschriften machte und insbesondere von ihnen wie von Untertanen Tribut eintrieb, da hatte ihre Geduld ein Ende.“

 

Der Bericht des Cassius Dio wird durch den archäologischen Befund der Siedlung Waldgirmes bei Wetzlar gestützt. Bei der Anlage scheint es sich um einen der Plätze zu handeln, über die Dio von der Einrichtung von Märkten und Städten im rechtsrheinischen Germanien schreibt. Spätestens 4 v. Chr. entstand dort eine mehrphasige Befestigungslage. Hinter ihr verbarg sich kein Befestigungslager, sondern eine Stadt in ihrer Gründungsphase. Waldgirmes gilt als das erste entdeckte Beispiel einer römischen Stadtgründung im Innern Germaniens. Der hohe Anteil an einheimischer Keramik im Fundgebiet von Waldgirmes dokumentiert die Beziehungen zur einheimischen Bevölkerung.

 

Im Lager von Haltern zeugt die Produktion von Keramik von einem Marktort. In Haltern befand sich eine ungewöhnlich große Zahl an Gebäuden, in der Personen untergebracht werden könnten, die auch zivile Verwaltungsaufgaben durchführten. Angesichts der zahlreichen archäologischen Befunde im rechtsrheinischen Germanien geht die Forschung mittlerweile überwiegend von einer römischen Herrschaft ab 8/7 v. Chr. aus. Germanien war vor 9 n. Chr. nicht nur „fast“, sondern auch de jure bereits in den Status einer Provinz überführt worden und habe als befriedet gegolten. Die römische Herrschaft war aber nicht in allen Teilen Germaniens verwaltungstechnisch durchgesetzt. Varus habe vermutlich den ausdrücklichen Auftrag gehabt, die Verwaltung aufzubauen und Steuern zu erheben.

 

Die Kritiken an Varus, die Provinzialisierung zu energisch vorangetrieben zu haben und durch Rechtsprechung und Abgaben den Widerstand der Germanen hervorgerufen zu haben, greifen die übliche Erklärung Roms zum Verständnis von Aufstandsbewegungen auf und entstammen der späteren varuskritischen Überlieferung.[24] Arminius warf den Römern Habgier (avaritia), Grausamkeit (crudelitas) und Hochmut (superbia) vor.

Arminius als Gegenspieler von Varus

 

Varus’ Gegenspieler war Arminius, ein Fürst der Cherusker, der möglicherweise bereits als Kind oder in seiner Jugend als Geisel nach Rom gekommen und dort zum römischen Offizier ausgebildet worden war. Er galt als verlässlicher Bundesgenosse, wurde in den römischen Ritterstand erhoben, diente als Kommandeur der Hilfstruppen und verfügte über gute Kenntnisse des römischen Militärwesens. Anders als sein Bruder Flavus, der Rom immer treu blieb, wandte sich Arminius gegen die römische Oberherrschaft.

 

Unabhängig davon, ob Varus durch sein ungeschicktes Taktieren das Ehrgefühl der germanischen Stämme verletzt hat oder bereits das übliche römische Verhalten gegenüber anderen Völkern geeignet war, diesen Widerstand hervorzurufen, war Germanien auf jeden Fall nach einem Eroberungskrieg und einem „großen Aufstand“, von dem Velleius Paterculus berichtete, nicht voll erobert und immer noch potenziell gefährdet. Der Aufstand wurde von den Cheruskern unter der Führung von Arminius und Segimer durchgeführt. Arminius gelang es wohl außerdem, die Stämme der Marser, Chatten, Angrivarier und Brukterer zu einem Bündnis zu bewegen. Er war auch in der Lage, den germanischen Stämmen die Schwachstellen der römischen Militärtechnik – und auch der eigenen Taktik – deutlich zu machen. Arminius galt als Tischgenosse des Varus und wiegte diesen in dem Glauben, er sei ein treuer Verbündeter Roms. Er wirkte dabei so überzeugend, dass Varus nicht einmal die Warnung des Fürsten Segestes ernst nahm, Arminius plane einen Verrat.

 

Der Althistoriker Dieter Timpe betont Arminius’ Rolle als Anführer regulärer, römisch ausgebildeter cheruskischer Hilfstruppen, die wahrscheinlich gemeinsam mit den Stammeskriegern im Aufstand kämpften. Auch der Archäologe Heiko Steuer sieht einen möglichen Wandel in der Interpretation: „aus den ‚Freiheitskämpfern‘ wird aufständisches römisches Militär“.

Verlauf der Schlacht

Der Ausgangspunkt des verhängnisvollen Zuges war nach Cassius Dio die Weser im Gebiet der Cherusker. Doch die Nachricht über einen vermeintlich kleinen, regionalen Aufstand habe Varus veranlasst, einen Umweg durch ein den Römern weitgehend unbekanntes Gebiet zu nehmen. In unwegsamem Gelände seien Arminius und seine Verschwörer vorausgegangen, angeblich um Verbündete heranzuführen. Der weitermarschierende Varus sei dabei in einen von Arminius sorgfältig geplanten Hinterhalt geraten.

 

Man geht davon aus, dass der Zug der Streitmacht, die drei Legionen XVII, XVIII, XIX, drei Alen (Reitereinheiten) und sechs Kohorten mit insgesamt 15.000 bis 20.000 Soldaten, dazu 4.000 bis 5.000 Reit-, Zug- und Tragtiere umfasste, 15 bis 20 km lang gewesen sein muss.

 

Für die Schlacht wird von Cassius Dio das Jahr 9 angegeben, von Sueton das Jahr 10. Historiker wie zum Beispiel Theodor Mommsen vermuten, dass „der letzte Marsch des Varus offenbar der Rückmarsch aus dem Sommer- in das Winterlager“ war. Als Jahreszeit wird allgemein der Sommer oder Herbst angenommen.

 

Der ausführlichste Bericht über die Schlacht stammt vom römischen Historiker Cassius Dio, abgefasst rund 200 Jahre nach dem Ereignis. Die Schlachtschilderung selbst enthält zwar rhetorische Elemente, doch wird die differenzierte Beschreibung der Geländeformation als Beleg dafür gesehen, dass es sich nicht nur um eine bloße Ansammlung von Topoi handelt, sondern dass wirkliche Nachrichten zugrunde liegen. Die althistorische Forschung geht von der Zuverlässigkeit der Angaben Dios aus. Dio berichtet ohne die in den sonstigen Quellen üblichen einseitigen Schuldzuweisungen an Varus. In seinem Bericht heißt es:

 

    „Denn das Gebirge war voller Schluchten und Unebenheiten, und die Bäume standen so dicht und waren so übergroß, dass die Römer auch schon ehe die Feinde über sie herfielen, sich, wo nötig, abmühten, die Bäume zu fällen, Wege zu bahnen und Dämme zu bauen.

    Und wenn dazu noch Regen und Sturm kam, zerstreuten sie sich noch weiter. Der Boden aber, schlüpfrig geworden um die Wurzeln und Baumstümpfe, machte sie ganz unsicher beim Gehen, und die Kronen der Bäume, abgebrochen und herabgestürzt, brachten sie in Verwirrung.

    umstellten die Germanen sie plötzlich von überall her gleichzeitig durch das Dickicht hindurch, da sie ja die Pfade kannten, und zwar schossen sie zuerst von fern, dann aber, als sich keiner wehrte, doch viele verwundet wurden, gingen sie auf sie los.

    Es war unmöglich, 1. in irgendeiner Ordnung zu marschieren  2. konnten sie sich auch nur schwer zusammenscharen, und waren Schar für Schar immer weniger als die Angreifer.

    Daher schlossen sie die Römer mühelos ein und machten sie nieder, so dass Varus und die Angesehensten aus Furcht, gefangen genommen oder getötet zu werden – denn verwundet waren sie schon – sich zu einer furchtbaren, aber notwendigen Tat entschlossen. Sie töteten sich selbst.

    Als dies bekannt wurde, wehrte sich auch keiner mehr, auch wenn er noch kräftig war, sondern die einen taten es ihrem Anführer nach, die anderen warfen die Waffen weg und überließen sich dem, der sie töten wollte. Denn fliehen konnte keiner, wenn er es auch noch so gerne wollte.“

 

Als entscheidend für Verlauf und Ausgang der Kämpfe werden von allen Quellen die topografischen Bedingungen genannt. Diese werden durch unübersichtliche Waldgebiete, Sümpfe und Moorböden charakterisiert. Danach hatten die Römer keine Möglichkeit, sich zu wehren. Als Arminius und seine Verbündeten angriffen, gelang es den überraschten Legionen, die sich mit ihrem Tross über eine lange Strecke zogen, nicht, eine Kampfformation zu bilden. Zusätzlich wird für den ersten und dritten Tag von heftigem Sturm und Regenfällen berichtet. Die Römer kämpften dabei nicht nur gegen germanische Krieger, sondern auch gegen die abtrünnigen germanischen Hilfstruppen. Die Germanen verschafften sich im Verlauf der Kämpfe durch ihre besseren Geländekenntnisse Vorteile. Hingegen waren die Römer weniger für einen Einzelkampf ausgebildet und kamen wohl nicht zuletzt durch ihre schwere Rüstung mit den Verhältnissen nicht zurecht.

 

Dennoch gelang es den Römern während der Kämpfe, zeitweise offenes Gelände zu erreichen und auf einem bewaldeten Hügel ein Lager aufzuschlagen. Der Tross wurde durch Verbrennung nicht dringend benötigter Gegenstände verkleinert. Doch war es anscheinend unumgänglich, den Weg erneut auf unübersichtlichen Waldwegen fortzusetzen. Erst jetzt scheinen die Angriffe der Germanen wieder eingesetzt und die Römer nach Dio ihre schwersten Verluste erlitten zu haben. Die Kämpfe dauerten insgesamt wohl über drei Tage. Nach einer strittigen Textstelle von Cassius Dio kann sich das Kampfgeschehen auch bis zum „vierten Tag“ hingezogen haben. Varus selbst tötete sich gemeinsam mit hohen Offizieren, um der Gefangenschaft zu entgehen. Die Soldaten haben anscheinend noch vergeblich versucht, den Feldherrn zu bestatten. Die römischen Verluste gibt Velleius mit insgesamt drei Legionen, drei Alen und sechs Kohorten an. Zum Zeitpunkt des Überfalls waren mindestens fünf Legionen im rechtsrheinischen Germanien. Den beiden Legionen, die Asprenas kommandierte, war die sichere Rückführung an den Niederrhein und die Stabilisierung der dortigen Stellung gelungen. Inwieweit diese Truppen in Kampfhandlungen verwickelt waren, ist unklar.

 

Das Haupt des Varus wurde im Rahmen eines Bündnisangebotes an den Markomannenkönig Marbod in dessen böhmische Residenz gesandt. Marbod lehnte die Avance jedoch ab und schickte die Trophäe an die Familie des Varus nach Rom. Kaiser Augustus soll angesichts der Niederlage ausgerufen haben:

 

    Quintili Vare, legiones redde!

    „Quinctilius Varus, gib die Legionen zurück!“

– Sueton: Augustus 23

 

Die tiefe Verzweiflung und Depression des Augustus entsprach durchaus den auch von der Öffentlichkeit erwarteten Regeln der Trauer. Augustus ließ das abgeschlagene Haupt in dem für ihn selbst vorgesehenen Mausoleum bestatten, eine Ehre, die nur äußerst verdienten Angehörigen der römischen Oberschicht vorbehalten war. Die besiegten Legionen wurden nach der Katastrophe, einzigartig in der römischen Militärgeschichte, nicht wieder aufgestellt. Eine symbolische Ächtung, um etwa der Öffentlichkeit einen Hauptschuldigen zu präsentieren, gab es nicht. Erst in der Zeit der Hochverratsprozesse unter Kaiser Tiberius und nach dem Ausscheiden der Familie aus der Führungsschicht des Reiches entstand das negative Varus-Bild. 

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