Schlacht bei Tannenberg (1410)

Die Schlacht bei Tannenberg, auch Schlacht bei Grunwald (polnisch Bitwa pod Grunwaldem, litauisch Žalgirio mūšis) wurde am 15. Juli 1410 im Ordensland Preußen unweit der Orte Tannenberg und Grünfelde ausgefochten. Das Heer des Deutschen Ordens unter Hochmeister Ulrich von Jungingen sowie Aufgebote der preußischen Landstände und eine unbekannte Zahl von Söldnern nebst west- und mitteleuropäischen Rittern trug dort das entscheidende Treffen gegen eine gemeinsame Streitmacht des Königreichs Polen unter König Władysław II. Jagiełło sowie des Großfürstentums Litauen unter Großfürst Vytautas aus.

 

Die seit 1303 andauernden Litauerkriege des Deutschen Ordens sowie die latente Rivalität zwischen Deutschem Orden und dem seit 1386 mit Litauen in Personalunion verbundenen Königreich Polen erreichten in dieser Schlacht ihren Höhepunkt. Die schwere Niederlage der Streitmacht des Deutschen Ordens kennzeichnet den Beginn des Niedergangs der Ordensherrschaft in Preußen sowie den Aufstieg Polen-Litauens zur europäischen Großmacht. Die Auseinandersetzung gilt als eine der größten Schlachten zwischen mittelalterlichen Ritterheeren und gehört seit dem 19. Jahrhundert zum Nationalmythos Polens und Litauens. 

Vorgeschichte

Deutschordensland im Jahre 1410
Deutschordensland im Jahre 1410

Unmittelbarer Anlass des Konflikts war nicht nur das seit 1309 zwischen dem Deutschen Orden und Polen umstrittene Pommerellen, sondern auch die seit 1303 in erbittert geführten Feldzügen umkämpfte Region von Schamaiten im westlichen Litauen, welches die Landverbindung zwischen Livland und dem preußischen Kernland bildete. Samogitien, wie diese Landschaft im Mittelalter genannt wurde, war 1398 im Vertrag von Sallinwerder durch Vytautas dem Deutschen Orden zugesprochen worden, was 1404 vom Königreich Polen aufgrund diplomatischen Druckes des Papstes Innozenz VII. nochmals bestätigt wurde.

 

Infolge der 1402 erfolgten Verpfändung der östlich der Oder gelegenen kurfürstlich brandenburgischen Neumark an den Deutschen Orden, an deren Erwerb auch Polen Interesse zeigte, verschlechterte sich das ohnehin angespannte Verhältnis zwischen dem Deutschen Orden und dem Königreich Polen.

 

Der litauische Großfürst Vytautas unterstützte zudem aus machtpolitischen Interessen seit 1402 die mit der Herrschaft des Ordens unzufriedenen Schamaiten, sodass es 1409 zum offenen Aufstand gegen die Ordensherrschaft kam. Sowohl der Großfürst als auch die Schamaiten wurden dabei von Vytautas' Verwandtem, dem polnischen König Władysław II. Jagiełło, unterstützt. Die offene Parteinahme des polnischen Adels zugunsten der Aufrührer nahm der Hochmeister des Ordens zum Anlass, am 6. August 1409 Polen – und gleich auch Litauen – die „Fehde“ zu erklären.

 

Im Herbst 1409 eroberten Söldner des Ordens das Dobriner Land, griffen leichtere Reiter in Kujawien an und belagerten Bromberg. Das Königreich Polen sowie Vytautas von Litauen waren vorerst aufgrund der relativ späten Jahreszeit nicht in der Lage, einen erfolgversprechenden Heerbann aufzubieten. Zudem nahte der Winter heran, was die Entscheidung des Hochmeisters begründete, seine Söldner aus Kujawien und von Bromberg abzuziehen.

 

Am 8. Oktober wurde ein bis zu Sankt Johanni (24. Juni des folgenden Jahres) befristeter Waffenstillstand geschlossen. Im Januar kam es zum letzten Versuch, einen Ausgleich zu erreichen: Der zur Schlichtung angerufene böhmische König Wenzel IV. sprach am 15. Februar 1410 dem Orden aufgrund des Kontraktes zu Sallinwerder das Verfügungsrecht auf Schamaiten zu. Dieses Urteil wurde indes sowohl vom polnischen Adel als auch vom Großfürsten Litauens, Vytautas, nicht akzeptiert. So bereiteten sich die Kontrahenten intensiv auf eine militärische Entscheidung während der Sommermonate des Jahres 1410 vor. Dieser als „grosser streyth“ bezeichnete Krieg gipfelte im Zusammentreffen der Heere unweit Tannenbergs.

Verlauf des Feldzuges im Sommer 1410

Beide Seiten waren fest entschlossen, durch einen Feldzug während des Sommers 1410 eine endgültige Entscheidung, möglichst in einer entscheidenden Feldschlacht, herbeizuführen. Im Winter 1409/10 fand in Brest-Litowsk eine polnisch-litauische Beratung statt, auf der ein Feldzugsplan entworfen wurde. Erstmals sollte es eine koordinierte Kriegsführung geben. Der Plan sah vor, mit vereinten Kräften gegen die Marienburg zu ziehen, das Haupthaus des Ordens zu erobern und somit den Orden entscheidend zu schwächen.

 

Ausgangslage im Frühsommer

Bereits im Frühjahr 1410 begannen die Kriegsgegner, ihre jeweiligen Aufgebote zu sammeln. Der Deutsche Orden mobilisierte die verfügbaren Streitkräfte sämtlicher Komtureien und befahl zeitgleich das Aufgebot der Städte sowie des ansässigen Landadels. Der livländische Landmeister Conrad von Vytinghove erteilte dem Hochmeister jedoch eine Absage und berief sich auf ein Waffenstillstandsabkommen mit Großfürst Vytautas. So erklärt sich die Abwesenheit des gesamten livländischen Ordenszweiges, was nachhaltige Folgen für das Kräfteverhältnis haben sollte. Aus Unkenntnis über die Absichten seiner Gegner vermutete Ulrich von Jungingen einen Angriff aus der Gegend von Bromberg oder aus Litauen und wartete ab, bis der Gegner aktiv wurde.

 

Der König von Polen hielt sich im späten Frühjahr im Feldlager bei Wolbórz südöstlich von Łódź auf, wohin er die Masse seiner zuziehenden Banner aus ganz Polen beordert hatte. Durch Gewährsleute im Ordensland war der König über die Handlungen seines Kontrahenten stets gut informiert. Am 26. Juni brach das polnische Hauptheer nach Norden auf. Ende Juni erschien Großfürst Vytautas vereinbarungsgemäß mit den litauischen Aufgeboten nebst verschiedenen tatarischen Truppenteilen sowie den belarussischen Kontingenten. Gleichzeitig sammelte sich eine polnische Streitmacht unweit Brombergs unter dem Befehl des dortigen Starosten. Diese Abteilungen sollten in der Neumark offensiv werden.

Der Weg nach Tannenberg

Karte des Feldzugs 1410 mit dem entscheidenden Treffen bei Tannenberg
Karte des Feldzugs 1410 mit dem entscheidenden Treffen bei Tannenberg

Der Feldzug begann am 30. Juni mit der Überquerung der Weichsel bei Czerwińsk nad Wisłą durch das polnische Heer über eine für die damalige Zeit neuartige Pontonbrücke. Dort traf das Heer mit den nördlich des Flusses heranziehenden Litauern und ihren Hilfstruppen zusammen. Das vereinigte Heer bezog unweit Bieżuńs ein befestigtes Lager und befand sich nun unmittelbar an der Grenze des Deutschordensstaates. Aus von dort abgesandten so genannten Entsagungsbriefen der Herzöge Semovit und Janusz von Masowien sowie weiterer Edelleute konnten der Hochmeister und seine Berater erstmals zweifelsfrei den Standort der polnisch-litauischen Hauptstreitmacht erkennen. Zudem kam es Ende Juni zu ersten Scharmützeln in der Neumark, was Ulrich von Jungingen veranlasste, einen Teil seines Heeres unter dem bewährten Komtur Heinrich von Plauen bei Schwetz zu belassen. Das Heer des Ordens zog am 2. Juli auf Soldau, in dessen Nähe sich bereits eine vorgeschobene Abteilung unter dem Ordensmarschall Friedrich von Wallenrode befand. Dort verschanzte sie sich bei Kauernick an den Ufern des Flusses Drewenz. Das daraufhin konzentriert ins Ordensland vorrückende Heer des polnischen Königs sowie die Streitmacht des Großfürsten Vytautas wichen einer für sie taktisch nachteiligen Konfrontation vor den befestigten Schanzen des Ordensheeres aus. Die Verbündeten versuchten ihrerseits, das Ordensheer östlich zu umgehen, und stürmten am 8. Juli die befestigten Siedlungen Soldau und Neidenburg.

 

Das Hauptheer des Ordens stand nur einige Kilometer westlich des Geschehens, als es am 13. Juli zur Erstürmung von Gilgenburg durch Litauer und Tataren kam. Vermutlich aufgrund der dortigen Geschehnisse[4] und der Verwüstung Gilgenburgs befahl Ulrich von Jungingen den sofortigen Aufbruch des Heeres mit dem Ziel, den Gegner unverzüglich zu stellen. Nachdem in der darauffolgenden Nacht über dem Lager des Ordensheeres unweit von Frögenau und der gesamten Tannenberger Heidelandschaft ein schweres Gewitter niederging, standen sich die Heere seit dem Vormittag des 15. Juli zwischen den Dörfern Grünfelde und Tannenberg sowie Ludwigsdorf und Faulen gegenüber.

Stärke und Aufstellung der beiden Heere

Die überlieferten Angaben über die Stärke beider Heere weichen beträchtlich voneinander ab. Sie reichen für das polnisch-litauische Heer von 26.000 bis 39.000 Kämpfer, für das Ordensheer von 11.000 bis 27.000. Jan Długosz, der spätere Chronist der Schlacht, dessen Vater an ihr teilgenommen hatte, nennt zwar keine Zahlen, doch ist es möglich, anhand seiner Auflistung der beteiligten Banner, für das Ordensheer sowie den polnischen Adel eine Schätzung abzugeben: So standen inklusive von Kriegsaufgeboten der preußischen Stände um die 20.000 Mann unter der Fahne des Ordens, während das Königreich Polen 15.000 mehr oder weniger gut gerüstete Kämpfer ins Feld führte. Unberücksichtigt bleibt bei diesen Schätzungen die Anzahl der Litauer, Tataren, Ruthenen und Belarussen unter dem Kommando Vytautas'. Der britische Militärhistoriker Stephen Turnbull schätzt, dass das Heer des Deutschen Ordens 27.000 Mann stark war, dass ihrer Gegner insgesamt 39.000 Mann umfasste. Diese Streitmacht war dem Ordensheer also zahlenmäßig überlegen, doch waren die Kämpfer des Ordensheeres besonders gegenüber den litauischen Kräften besser bewaffnet und ausgebildet.

 

Die eigentlichen Ordensritter bildeten im Heer eine verschwindend geringe Minderheit. Da jede Komturei mit Ausnahme der Haupthäuser Marienburg und Königsberg nur fünf bis sieben Ordensritter stellte, befanden sich höchstens vierhundert ritterliche Ordensbrüder auf dem Schlachtfeld. Als von großer psychologischer Bedeutung ist jedoch der „sakrale Nimbus“ des Ordens zu bewerten, der sich auf den besonderen Schutz seiner Patronin, der Jungfrau Maria, berief. Der Deutsche Orden stand im Ruf, aufgrund dieses hohen Patronats unbesiegbar zu sein. Dieser Aspekt besaß im tiefreligiösen Spätmittelalter hohe Bedeutung. Er erklärt unter Umständen auch das spätere Zögern des polnischen Königs, den Befehl zur Attacke auf das Ordensheer zu geben. Auf polnischer Seite wurden bereits im Vorfeld des Treffens vielfältige Prophezeiungen, unter anderem der Heiligen Birgitta, verbreitet, um diesen psychologischen Vorteil des Ordens auszugleichen. Bei den litauischen Truppen hatte sich das sakrale Regularium des Christentums noch nicht maßgeblich durchgesetzt, daher fiel dieser Aspekt kaum ins Gewicht.

 

König Władysław II. ordnete sein Heer in drei Linien. Am rechten Flügel standen die von Großfürst Vytautas befehligten, leichter bewaffneten und gerüsteten Litauer, Ruthenen und Lipka-Tataren, am linken die Polen unter dem Kommando von Jan Zyndram von Maszkowic und Zbigniew Kazimierz von Goblinic. Die Frontlinie war fast drei Kilometer lang.

 

Das Ordensheer stand ursprünglich gleichfalls in drei Linien. Als Hochmeister Ulrich von Jungingen die lange Front der Polen-Litauer erkannte, gruppierte er sie in zwei Linien um und verbreiterte damit die Aufstellung seines Heeres, um nicht vom Gegner umgangen zu werden. Auf dem rechten Flügel des Ordensheeres stand der Großteil ordensfremder Ritter, zusammengefasst unter der Fahne des Heiligen Georg. Auf beiden Seiten waren die Ritter in Banner gegliedert. Bei den Litauern gliederten sich die Krieger in Stammesverbände unter dem Kommando eines Bojaren, Teile des Fußvolks blieben zum Schutz der Heerlager zurück.

 

Vor den Bannern der Ordensritter standen Armbrustschützen. Auf einer Anhöhe links des Ordensheeres bezogen Steinbüchsen Stellung.

 

Weil das Ordensheer auf Befehl des Hochmeisters willkürlich vorgerückt war, befand es sich nun in taktisch nachteiliger Position, da sich die Masse des polnisch-litauischen Heeres auf bewaldetem Areal befand, sodass ein Angriff der schwer gerüsteten Ritter ausgeschlossen war. Laut mittelalterlicher Kampftaktik wurde darauf Wert gelegt, die Initiative durch einen frontalen Reiterangriff auf einen frei im Gelände befindlichen Gegner zu gewinnen. Diese Option blieb dem Ordensheer aufgrund der Umstände verwehrt. Es musste also defensiv bleiben und den Angriff des polnisch-litauischen Heeres erwarten, was sich unter den sommerlichen Bedingungen des 15. Juli nachteilig auswirkte. 

Schlachtverlauf

Die eigentliche Schlacht begann um die Mittagszeit. Zuvor hatte Hochmeister Ulrich von Jungingen auf Anraten des Ordensmarschalls Wallenrod dem König Władysław sowie Vytautas jeweils ein blankes Schwert überbringen lassen und somit zum unverzüglichen Kampf aufgefordert. 

 

Der Chronist Jan Długosz gibt den vorgeblichen Wortlaut wieder:

 

    „Es ist Brauch kriegerischer Streiter, wenn ein Kriegsheer zum Kampfe bereit des andern wartet, so sendet es diesem ein Schwert zu, um es zum gerechten Streit auf dem Kampfplatz zu fordern. Sehet, so reichen auch wir euch jetzt zwei Schwerter entgegen, das eine für Euch, den König, das andere für Euch, Herzog Witold, im Namen des Meisters, des Marschalls und der Ritter des Ordens, auf dass ihr den Kampfplatz erwählet, wo ihr ihn wollt. Nehmet sie euch zur Hilfe, diese Schwerter, zum Beginne des Streites. Aber zaudert nicht ferner und versäumet nicht die Zeit. Wozu versteckt ihr euch in Wäldern und verberget Euch, um dem Kampfe zu entfliehen, dem ihr für wahr doch nicht mehr entgehen könnt?“

 

– Johannes Longinus, polnischer Chronist

 

Dieses der deutschen ritterlichen Tradition entsprechende Vorgehen erschien dem Hochmeister erforderlich, da sich Władysław II. nicht zu einem Angriff entschließen konnte. Über die Beweggründe des Königs lässt sich aus heutiger Sicht nur noch spekulieren, doch ist es durchaus nachvollziehbar, dass dieser nicht als Aggressor gegen ein christliches Heer unter dem Patronat der Heiligen Jungfrau gelten wollte. Litauische Quellen bezeichnen den König dagegen als ängstlich – der Großfürst habe den König sogar persönlich aufgefordert, seine Andacht zu beenden und endlich den Angriff zu befehlen. Denkbar ist allerdings auch, dass der König auf Anraten seiner erfahrenen Unterführer das in der Mittagshitze in Schlachtordnung aufgestellte Ordensheer schon im Vorfeld des unvermeidlichen Treffens durch physische Ermüdung der schwer gerüsteten Kämpfer sowie ihrer Streitrosse schwächen wollte.

Angriff und Gegenattacke auf dem linken Flügel des Ordensheeres

Anfangsphase der Schlacht um die Mittagszeit: Erste Attacke des Litauischen Flügels und dessen Rückzug nach dem Gegenangriff des Ordensheeres
Anfangsphase der Schlacht um die Mittagszeit: Erste Attacke des Litauischen Flügels und dessen Rückzug nach dem Gegenangriff des Ordensheeres

Unabhängig von seiner Aufforderung an Wladyslaw ließ Großfürst Vytautas seine leichte Reiterei am rechten Flügel des vereinigten Heeres angreifen und eröffnete um die Mittagsstunde die Schlacht. Dieser Angriff veranlasste das vorzeitige Abfeuern der Geschütze des Ordensheeres. Der Einsatz der kosten- sowie logistikintensiven „Feuerrohre“ in einer Feldschlacht erwies sich in der Folge als taktischer Fehlschlag. Durch den ungestümen Angriff der eigenen Truppen auf dem linken Flügel wurden die Stückmeister ihres Schussfeldes beraubt und zudem war die neuartige Waffe mit technischen Problemen behaftet: Das vom Gewitterregen der vorangegangenen Nacht feuchte Schwarzpulver zeigte sich zu großen Teilen als unbrauchbar. Auch erwies sich die Zielgenauigkeit der damaligen auf Steinbüchsen beruhenden Feldartillerie schon auf 150 Meter als sehr gering, was sich gerade bei der Abwehr von schnellen Reiterattacken nachhaltig auswirkte. Die Artillerie zeigte demnach nur geringe Wirkung.

 

Der Gegenattacke der schweren Kavallerie auf dem linken Flügel der Ordensstreitmacht unter dem Kommando des Ordensmarschalls Friedrich von Wallenrode zeigte sich die leicht ausgerüstete litauische Reiterei unterlegen. Die schwer gepanzerten Ritter des Ordensheeres drängten die Angreifer zurück, doch statt eine geschlossene Formation zu halten, verfolgten sie den zurückweichenden Gegner. Damit aber löste sich die Schlachtordnung in diesem Sektor auf.

 

Angriff gefolgt von Rückzug, Neugruppierung und Gegenangriff gehörte seinerzeit aber zur üblichen Kampfweise der leichten Reiterei der Steppenvölker (Tataren, Bessarabier, Walachen), doch diesmal gelang diese Neugruppierung nicht und die Litauer und Tataren flohen. Ob es sich bei diesem scheinbaren Rückzug von Großteilen des litauischen Kontingents nun um eine Kriegslist oder mehr oder weniger um einen gut genutzten Zufall handelte, ist eine bis heute strittige Frage. Ältere polnische Quellen berichten, die Litauer seien schlichtweg geflohen. Diese Interpretation wird durch litauische Angaben gestützt, die den polnischen König beschuldigen, die Litauer zu Beginn der Schlacht im Stich gelassen zu haben.

 

Drei belarussische Banner, die laut Schlachtplan den Anschluss an die polnischen Kontingente halten sollten, schlossen sich nicht dem allgemeinen Rückzug auf dem litauischen Flügel an. Die Belarussen versuchten hingegen, sich geordnet in Richtung Zentrum zurückzuziehen, um dort Anschluss an die polnischen Banner zu finden. Diese Abteilungen wurden mit Ausnahme des Smolensker Banners vollständig vernichtet.

Kampf auf dem rechten Flügel

Darstellung des auf dem linken Flügel des polnischen Heeres vorübergehend an den Orden verlorenen königlich-polnischen Reichspaniers
Darstellung des auf dem linken Flügel des polnischen Heeres vorübergehend an den Orden verlorenen königlich-polnischen Reichspaniers

Ein wenig später erfolgender Angriff der polnischen Ritterschaft gegen den rechten Flügel des Ordensheeres unter dem Großkomtur Kuno von Lichtenstein wurde durch die fünfzehn Banner der preußischen Komtureien sowie durch ritterliche Gäste des Ordens aufgehalten. Das Gefecht unter weitgehend gleich Gerüsteten blieb dort vorerst ohne Entscheidung. Allerdings fiel das polnische Reichspanier kurzzeitig in die Hände des Ordens. Die Polen eroberten es in einem überraschenden Gegenstoß unter Führung des Ritters Zawisza Czarny umgehend zurück, der Legende nach, weil die Ordensritter infolge des triumphalen Absingens des Chorals: Christ ist erstanden (Siegeshymne des Ordens) vom Schlachtgeschehen abgelenkt waren.

 

Nach mittelalterlichem Verständnis bedeutete der Fall des gegnerischen Hauptbanners den Tod oder die Gefangennahme des feindlichen Heerführers, was viele Krieger des Ordensheeres aufgrund der räumlichen Distanz zum unmittelbaren Geschehen vermuteten und unter Anbetracht des scheinbar zur Flucht ausartenden litauischen Rückzugs als endgültigen Sieg deuteten. Diese Tatsache erklärt das in den Quellen belegte Anstimmen des Siegeschorals.

 

Da König Wladyslaw entgegen der westeuropäischen Tradition nicht in unmittelbarer Nähe des verlorenen Hauptbanners weilte, sondern gemeinsam mit Jan Zyndram von Maszkowic die Schlacht aus einiger Entfernung beobachtete, blieb der Fall des Banners eine Episode. Kurzfristig wurden einige Reservebanner unter Zawisza Czarny in dieser für Polen kritischen Schlachtphase eingesetzt, um durch temporär zahlenmäßiges Übergewicht das als optischen Fixpunkt überaus wichtige Reichspanier den Ordensrittern wieder zu entreißen.

Attacke des Rennbanners sowie der Kulmer Ritterschaft unter Ulrich von Jungingen

Darstellung der Schlacht aus dem Luzerner Schilling von Diebold Schilling dem Jüngeren; um 1515
Darstellung der Schlacht aus dem Luzerner Schilling von Diebold Schilling dem Jüngeren; um 1515

Der Hochmeister versuchte daraufhin persönlich, mit seinen 15 Reservebannern, darunter dem hochmeisterlichen Rennbanner, einer Elite der Ordensritterschaft, ein Umgehungsmanöver des durch den Rückzug der Litauer entblößten polnischen rechten Flügels, um somit dem Feind in die Flanke zu fallen und eine Entscheidung zu seinen Gunsten herbeizuführen. Dabei verweigerte ihm jedoch die seit 1397 im Eidechsenbund zusammengeschlossene Kulmer Ritterschaft den Gehorsam. Aus diesem Grunde und infolge der entschlossenen Abwehr der Polen misslang die Attacke. An vorderster Front kämpfend, ging Ulrich von Jungingen das gleiche Risiko ein wie die von ihm geführten Kämpfer; das missglückte Manöver und seinen Wagemut bezahlte er mit dem Leben.

 

Der Hochmeister erwies sich dort zwar den Idealen des Rittertums ergeben, was sich aber später als verhängnisvoll erwies. Jungingen zeigte sich der Nachwelt als tapferer Krieger, jedoch nicht als weitblickender Feldherr, der selbst im Falle eines verlorenen Treffens hinhaltenden Widerstand zu organisieren vermochte. Der Hochmeister schien eine kritische Phase in der Schlacht oder ein generell verlorenes Treffen grundsätzlich ausgeschlossen zu haben. So erklärt sich der einhergehende Verlust jeglicher koordinierter Führung mit dem Tod des Heerführers. Hinzu kam die Verteilung der Großgebietiger, das heißt der potenziellen Stellvertreter, auf die einzelnen Flügel, was eine einheitliche Führung unmöglich machte. So war der Ordensmarschall Friedrich von Wallenrode, Befehlshaber des weit vorgepreschten linken Flügels, zu diesem Zeitpunkt vermutlich bereits gefallen, während Großkomtur Kuno von Lichtenstein isoliert auf dem rechten Flügel des Ordensheeres das Gelände zu behaupten suchte.

Der Kessel von Tannenberg

Letzte Phase des Treffens am späten Nachmittag; in Blau ist der vorangegangene Flankenangriff unter Ulrich von Jungingen verzeichnet
Letzte Phase des Treffens am späten Nachmittag; in Blau ist der vorangegangene Flankenangriff unter Ulrich von Jungingen verzeichnet

Nach dem Fall des Hochmeisterbanners begann sich am späten Nachmittag die Ordnung des Ordensheeres aufzulösen. Ohne Führung vermochte das Ordensheer keinen geordneten Widerstand zu leisten, die Schlacht verzettelte sich in erbitterte Gefechte zwischen den einzelnen Bannern und sogar vom Hauptheer isolierten Rittern. Namentlich wird dort der Komtur von Schlochau, Arnold von Baden, erwähnt. Das Festhalten des Großkomturs auf bestehenden Positionen erleichterte die Umfassung dieses Heeresteils durch die polnische Reiterei. Dagegen wurde auf polnischer Seite durch den König und dessen Berater Jan Zyndram von Maszkowic nun böhmisches Fußvolk in die Schlacht geführt, was die ohnehin ausgedünnten Reihen des Ordensheeres ins Wanken brachte. Auf das Schlachtfeld zurückkehrende litauische Kräfte verschoben das Kräfteverhältnis nochmals zu Ungunsten des Ordens, dessen restliches Heer nun an den Flanken umfasst wurde. Einzelne Einheiten entgingen der Vernichtung durch Flucht. Unter ihnen befanden sich der einzig überlebende Großgebietiger, der Großspittler des Deutschen Ordens und gleichzeitig Komtur von Elbing, Werner von Tettlingen sowie der Komtur von Danzig, Johann von Schönfels und der Komtur von Balga Friedrich von Zollern.

 

Sich zurückziehende Kräfte versuchten beim Heerlager des Ordensheeres nahe Frögenau eine letzte Verteidigung, wurden jedoch von dem polnisch-litauischen Heer sowie Teilen des eigenen Trosses, der in Anbetracht der Lage abrupt die Fronten wechselte, endgültig besiegt. Das Lager wurde gestürmt und geplündert. 

 

Der Chronist schreibt:

 

    „Die feindlichen Lager mit großen Vorräten und Reichtümern, die Wagen und der gesamte Tross des Hochmeisters und der preußischen Ritterschaft fielen in die Hände der polnischen Soldaten. Im Lager der Kreuzritter wurden einige Wagen gefunden, die nur mit Ketten und Banden beladen waren. Ihres Sieges gewiss und nicht Gott um diesen bittend, mehr mit dem künftigen Triumph als mit der Schlacht beschäftigt, hatten sie diese für die Fesselung der Polen vorbereitet. Es gab auch andere Wagen voll mit Kienholz, auch mit Talg und Pech getränktem Werg, mit dem sie die geschlagenen und fliehenden Polen vor sich her jagen wollten. Zu früh freuten sie sich ihres Sieges, stolz auf sich selbst vertrauend und nicht bedenkend, dass der Sieg in Gottes Hand lag. So hat Gott ihren Hochmut gerecht bestraft, denn die Polen banden sie mit eben diesen Eisen und Fesseln. Diese Ketten und Bande, die die Kreuzritter für sich selbst geschmiedet hatten, waren ein erschütterndes Beispiel für die Unbeständigkeit der menschlichen Dinge, ebenso die Wagen und das feindliche Lager mit ihren großen Reichtümern, die von den polnischen Rittern innerhalb einer Viertelstunde verwüstet wurden, so dass nicht die geringste Spur von ihnen blieb.“

 

– Johannes Longinus, polnischer Chronist

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