Der Eurofighter Typhoon ist ein zweistrahliges Mehrzweckkampfflugzeug in Canard-Delta-Konfiguration, das von der Eurofighter Jagdflugzeug GmbH, einem Konsortium aus Airbus, BAE Systems und
Leonardo, gebaut wird. Die Beschaffung und Leitung des Projektes wird durch die NATO Eurofighter and Tornado Management Agency geregelt. In Deutschland und Österreich wird das Flugzeug oft nur
Eurofighter genannt.
Die gemeinsame Entwicklung des Flugzeugs durch die nationalen Rüstungsindustrien von Deutschland, Italien, Spanien und Großbritannien begann 1983 als European Fighter Aircraft (EFA). Frankreich
war anfangs noch Teil des Programms, schied später wegen Meinungsunterschieden aus und entwickelte allein die ähnliche Dassault Rafale. Wechselnde Anforderungen, das Ende des Kalten Krieges und
Diskussionen über die Arbeitsanteile der beteiligten Nationen verzögerten die Entwicklung des Flugzeuges. Die ersten Exemplare wurden 2003 an die Bundeswehr ausgeliefert. Nutzer der Maschine sind
neben den Luftstreitkräften der vier europäischen Herstellernationen die Luftstreitkräfte von Österreich sowie der vier arabischen Golfstaaten Saudi-Arabien, Katar, Kuwait und Oman.
Ursprünglich als hochagiler Luftüberlegenheitsjäger gegen die Bedrohung durch den Warschauer Pakt entwickelt, wurde das Flugzeug nach seiner Indienststellung an seine neue Aufgabe als
Mehrzweckkampfflugzeug angepasst.
m Jahre 1971 beschäftigte sich Großbritannien mit der Entwicklung eines Nachfolgemusters der F-4 Phantom, um der sowjetischen Bedrohung zu begegnen. Die Anforderungen AST 403, die 1972
veröffentlicht wurden, resultierten Ende der 1970er Jahre in einem konventionellen Design P.96. Wegen der Ähnlichkeit mit der F/A-18 Hornet wurde der Entwurf aber fallengelassen. Da die
Beschaffung der US-amerikanischen F-4 Phantom zum Verlust von Tausenden von Arbeitsplätzen in der britischen Luftfahrtindustrie führte, musste das nächste Kampfflugzeug aus politischen Gründen
wieder eine Eigenentwicklung sein. Folglich begannen Gespräche mit den Tornado-Partnerländern Deutschland und Italien sowie Frankreich, mit dem bereits der SEPECAT Jaguar entwickelt wurde. Die
Diskussion verlief kontrovers. Zwar konnte man sich schnell auf ein Delta-Canard-Kampfflugzeug einigen, die Prioritäten dieses als European Combat Aircraft (ECA) bezeichneten Entwurfes
unterschieden sich aber fundamental: Während Großbritannien einen Luftüberlegenheitsjäger mit robusten Luft-Boden-Fähigkeiten suchte, legte Frankreich mehr Wert auf Bodenangriffsfähigkeiten, mit
Luft-Luft-Einsätzen als zweite Rolle. Die anspruchsvollsten Anforderungen wurden von Deutschland gestellt und konnten nur von dem TKF-90-Entwurf (Taktisches Kampfflugzeug 90) von MBB erfüllt
werden: Hohe Beschleunigung in allen Höhen, gute Überschall-Manövrierfähigkeit in der Anfangsphase des Luftgefechtes, effektive fire-and-forget Luft-Luft-Bewaffnung für mittlere Entfernungen,
extreme Manövrierfähigkeit im Dogfight sowie eine gute Reichweite für Luftüberwachungseinsätze und Eskorten. Die Kurvenkampffähigkeit sollte durch hohe Nickraten und Erhalt der Flugstabilität
auch nach einem Strömungsabriss erreicht werden. Schubvektorsteuerung sollte der Maschine die Fähigkeit geben, die Visierlinie an das Ziel anzupassen. Bodenangriffsfähigkeiten waren nur als
sekundäre Fähigkeit gedacht. Nachdem 1981 über das ECA keine Einigung zustande gekommen war und Deutschland für die Eigenentwicklung des TKF-90 das Geld fehlte, untersuchte man im
Bundesministerium der Verteidigung folgende Optionen: Zum einen eine preiswerte Lösung, wie die Entwicklung einer Tornado-Variante oder eines kleinen Kampfflugzeuges mit nur einem Triebwerk.
Alternativ war auch die Beschaffung von F/A-18 Hornet im Gespräch, was von Industrie und Politik aber skeptisch gesehen wurde. Diskutiert wurde auch eine Beteiligung am Advanced Tactical Fighter
(ATF) der USAF. Die deutschen Luftfahrtfirmen MBB und Dornier hatten bereits eigene Eurojäger-Modelle konzipiert, sich jedoch auch an anderen, darunter amerikanischen, Entwürfen beteiligt. Der
Bundesminister der Verteidigung Manfred Wörner drohte damals mit einer deutsch-amerikanischen Lösung, sollte eine Einbindung Frankreichs nicht möglich sein.[6] Während auf industrieller und
militärischer Basis eine Zusammenarbeit möglich schien und die Zeitpläne Deutschlands und der Vereinigten Staaten gut korrelierten, sollten die Kosten für den ATF die des ECA mindestens
erreichen, wenn nicht sogar übertreffen, was diese Option ebenfalls beerdigte.
Um das Patt zu lösen, schloss sich British Aerospace stattdessen dem Entwurf Taktisches Kampfflugzeug 90 (TKF-90) von Messerschmitt-Bölkow-Blohm an. Beide veröffentlichten einen Vorschlag, der
als European Collaborative Fighter oder European Combat Fighter bezeichnet wurde, während Frankreich weiter auf eine Eigenentwicklung setzte. Letztlich schloss sich auch Aeritalia dem Entwurf an,
und so starteten die Panavia-Partnerfirmen im April 1982 das Agile Combat Aircraft (ACA)-Programm, was später zum Experimental Aircraft Programm (EAP) führte. 1983 begann der letzte Versuch, das
Vereinigte Königreich, Frankreich, Deutschland und Italien, in dem als Future European Fighter Aircraft (FEFA) bezeichneten Kooperationsprogramm zusammenzuführen. Frankreich bestand auf einer
Flugzeugträgerversion, 50 Prozent des Arbeitsanteils und auf der Systemführerschaft von Dassault. Das Flugzeug sollte dabei leichter und einfacher sein, da sich Dassault davon bessere
Exportchancen versprach. Diese Forderungen waren für die anderen Herstellerstaaten unannehmbar und unvereinbar mit ihren eigenen Anforderungen. Wegen dieser vollkommen abweichenden
Leistungsforderungen der Franzosen zogen sich die anderen Staaten 1984 aus dem Programm zurück. Am 1. August 1985 einigten sich Großbritannien, Deutschland und Italien auf den Bau des European
Fighter Aircraft (EFA). Im September schloss sich auch Spanien an, da man dies als strategische Entscheidung ansah und sich industrielle Vorteile versprach.
Bei Maschinen vom Typ McDonnell F-4 Phantom hatte man zunächst auf die Bordkanone verzichtet, da man davon ausgegangen war, künftig Luftkämpfe nur auf große Entfernung mit Lenkraketen
auszutragen. Während des Vietnamkrieges zeigte sich, dass die Fokussierung der United States Air Force (USAF) auf diese Taktik zu optimistisch war. Die dort geltenden Rules of Engagement führten
zusammen mit der geringen Trefferquote der Luft-Luft-Raketen AIM-7D/E Sparrow (7 %) und AIM-9 Sidewinder (15 %) häufig zu prekären Situationen im Luftkampf, wenn sich nordvietnamesische Flugzeuge
zwar im Visier der F-4-Piloten befanden, aber wegen zu geringer Entfernung kein Abschuss erzielt werden konnte.
Um die Kurvenkampffähigkeit eines Kampfflugzeuges besser abschätzen zu können, entwickelte Colonel John Boyd Anfang 1960 zusammen mit dem Mathematiker Thomas Christie die
Energy-Maneuverability-Theorie. Mit ihrer Hilfe wird die Manövrierfähigkeit eines Kampfflugzeuges anhand des spezifischen Leistungsüberschusses bestimmt. Parameter wie kurzzeitige Wenderate,
dauerhafte Wenderate, Steigleistung, Beschleunigung und Verzögerung werden zur fliegerischen Leistungsbeurteilung eines Kampfflugzeuges verwendet. Diese Kenntnisse führten zum
Lightweight-Fighter-Programm, aus dem die F-16 Fighting Falcon und F/A-18 Hornet hervorgingen.
Diese Entwicklungen blieben auch in der Sowjetunion nicht verborgen, so dass um 1970 das Zentrale Aerohydrodynamische Institut (ZAGI) mit der Entwicklung der Aerodynamik eines neuen
Kampfflugzeuges beauftragt wurde. Aus Kostengründen wurde der ursprüngliche Perspektiwni Frontowoi Istrebitel (PFI)-Entwurf geteilt: In ein leichteres LPFI für Mikojan-Gurewitsch und ein
schwereres TPFI von Suchoi. Die MiG-29 wurde zuerst 1984 in die Luftstreitkräfte der Sowjetunion aufgenommen. Obwohl das Flugzeug nur eine geringe Waffenlast tragen kann, die Tragflächenbelastung
sowie das Schub-Gewicht-Verhältnis unspektakulär sind und sie als Punktverteidigungsjäger nur relativ wenig Treibstoff mitführen kann, stellte die neue MiG eine ernste Bedrohung für die Maschinen
der NATO dar. Neben dem höheren spezifischen Leistungsüberschuss ermöglicht es die ausgefeilte Aerodynamik, auch ohne Fly-by-wire-Technik eine hohe Wendigkeit zu erzielen, ohne dass diese
elektronisch abgeregelt würde. Die USA erhöhten das maximale Lastvielfache ihrer Kampfflugzeuge im Lightweight-Fighter-Program auf 9g, die MiG-29 konnte jedoch bis zu einer Lastgrenze von etwa
10g belastet werden.[8] Die Serienproduktion der größeren Su-27 begann etwas später. Obwohl beide Flugzeuge auf demselben ZAGI-Entwurf aufbauen, sind ihre Rollen verschieden: Die schwere Su-27
sollte tief ins NATO-Gebiet eindringen und wurde zu diesem Zweck mit großen internen Treibstofftanks, zwölf Außenlaststationen für Waffen und einem Heckradar ausgestattet. Die volle
Manövrierfähigkeit wurde nur mit 60 % interner Treibstoffkapazität erreicht, dann kann die Su-27 in einem Luftkampf den maximalen Anstellwinkel und das höchste Lastvielfache von 9 g
erreichen.
Um die schlechte Trefferquote der Luft-Luft-Raketen zu kompensieren, wurde die Salventaktik eingeführt: Dabei werden auf jedes Luftziel in kurzem Abstand zwei Lenkwaffen abgefeuert. Um die
Trefferquote zu erhöhen, werden eine Lenkwaffe mit halbaktiver Radarlenkung und eine mit Infrarotsucher kombiniert. Für die Bekämpfung von Kampfflugzeugen zur elektronischen Kriegsführung und
AWACS wurden Luft-Luft-Raketen mit passiven Radarsuchköpfen eingeführt. Da die Salventaktik im Nahkampf nicht angewendet werden kann, entwickelte die Sowjetunion mit der Wympel R-73 eine
infrarotgelenkte Kurzstrecken-Luft-Luft-Rakete, die ihrem damaligen westlichen Gegenstück in sämtlichen Parametern deutlich überlegen war. Neu war auch das Helmvisier Schlem, mit dem die
Lenkwaffe auf Ziele bis zu 45° abseits der Flugachse gelenkt werden kann, ohne dass der Pilot die gegnerische Maschine in das Head-up-Display bekommen muss.
Um das Projekt zu managen, wurde in München 1986 die Eurofighter Jagdflugzeug GmbH gegründet. Die Entwicklungs- und Kostenanteile wurden zu 33 % DASA (Deutschland) und BAE Systems (Großbritannien) sowie 21 % Alenia Aeronautica (Italien) und 13 % CASA (Spanien) aufgeteilt. Zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der Entwicklungsverträge beabsichtigten die vier Partnerstaaten, 765 Flugzeuge zu beschaffen – je 250 für Deutschland und Großbritannien, 165 für Italien und 100 für Spanien. Im August 1986[9] wurde unter dem Dach der NATO Eurofighter and Tornado Management Agency (NETMA)[10] für die Entwicklung, die Produktion, die Wartung, den Service sowie den Export der Triebwerke EJ200 des künftigen Eurofighters in Hallbergmoos nordöstlich von München die Eurojet Turbo GmbH gegründet, an der die Unternehmen Rolls-Royce (Großbritannien), MTU Aero Engines (Deutschland), ITP (Spanien) und Fiat Avio (nunmehr: Avio Aero) (Italien) beteiligt sind.
Bereits 1983 wurde der Deutsche Martin Friemer von MBB zum Technischen Direktor des Eurofighter-Projektes ernannt, er arbeitete bereits mit den Briten am Tornado-Projekt. Managing Director wurde Gerry Willox von British Aerospace. Bereits am 26. Mai 1983 vereinbarten BAe sowie italienische und deutsche Firmen den Bau eines Demonstrators. Der Erstflug des daraus entstandenen British Aerospace EAP fand 1986 statt und legte den technischen Grundstein für das Eurofighter-Projekt. Das EAP erprobte viele neue Techniken, die später im Eurofighter verwendet wurden. So wurden die Tragflächen vollständig aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff gefertigt und aus Einzelteilen zusammengeklebt. Das EAP erprobte die Tauglichkeit von Leichtbauwerkstoffen wie CFK und Al-Li-Legierungen für den dauerhaften Überschallflug und neue, kostengünstige Fertigungsverfahren für Titan- und CFK-Halbzeuge und Einzelteile. Die aerodynamische Instabilität und damit die Manövrierfähigkeit des Flugzeuges konnte weiter gesteigert werden und die Steuerungslogik als Software in die Flugkontrollrechner implementiert werden. Das EAP besaß wie der Eurofighter die Möglichkeit zum Override, um das standardmäßig vorgegebene G-Limit zu überschreiten. Lastmessungen am EAP ermöglichten es, die Strukturbelastung für das EFA wesentlich besser abschätzen zu können, was eine leichtere Konstruktion erlaubte. Die Aerodynamik wurde ebenso wie der Lufteinlass erprobt. Ein modernes Cockpit und eine hochintegrierte Avionik-Architektur auf Basis des Pave Pillar-Konzeptes der USAF wurden umgesetzt. Die Kosten für das EAP wurden zum Teil von der Industrie getragen, Großbritannien steuerte 80 Mio. £ bei. Da sich die Bundesrepublik nicht an der Finanzierung beteiligte, konnte nur ein Flugzeug gebaut werden.
Rockwell und Messerschmitt-Bölkow-Blohm stellten von 1981 bis 1984 aus Eigenmitteln finanzierte Untersuchungen zur Schubvektortechnik an. MBB legte das Konzept 1983 der Luftwaffe vor. Diese
entschloss sich, die Technik wegen technischer Unreife nicht in das EFA einfließen zu lassen. Im Gegenzug unterschrieben im Mai 1986 die Regierungen von Deutschland und den USA einen Vertrag über
den Bau zweier Experimentalflugzeuge auf Basis des TKF-90, der Rockwell-MBB X-31 Enhanced Fighter Maneuverability (EFM). Der Erstflug fand am 11. Oktober 1990 statt. Ab August 1993 wurden
simulierte Luftgefechte gegen verschiedene Kampfflugzeuge geflogen. In der folgenden Testserie, welche durch das JAST-Programm finanziert wurde, wurde die Nützlichkeit der Schubvektorsteuerung im
Luft-Boden-Einsatz erprobt. Ferner wurde untersucht, inwiefern die Schubvektorsteuerung das Seitenleitwerk ersetzen könnte. Im darauf folgenden VECTOR-Programm wurden automatische Landungen mit
Anstellwinkeln von bis zu 24° geflogen, um die benötigte Landestrecke zu reduzieren. Das EFM-Programm erprobte neben der kontrollierten Steuerung nach einem Strömungsabriss auch Avionik wie das
Helmet-Mounted Visual and Audio Display System (HMVAD). Dieses konnte Informationen nicht nur grafisch auf dem Helmdisplay abbilden, sondern auch durch ein 3D-Audiosystem. Ferner wurde eine
erweiterte Realität erprobt, indem gegen ein virtuelles Kampfflugzeug Dogfights geflogen wurden. Es wurde angestrebt, zusammen mit Spanien das Eurojet EJ200-Triebwerk mit Schubvektorsteuerung in
das Experimentalflugzeug X-31 einzubauen, um den Weg für den Eurofighter zu bereiten. Aus verschiedenen Gründen kam dies jedoch nicht zustande.
Zur selben Zeit änderten sich die Anforderungen der USAF an den Advanced Tactical Fighter fundamental: Wenige Monate vor der Demonstrations- und Validierungsphase 1985 änderte die USAF das
ursprüngliche Request for Information (RFI) zugunsten höherer Stealth-Anforderungen. Albert C. Piccirillo, Leiter des ATF-Programmes befürchtete, dass die USAF die Beschaffung des ATF nicht
rechtfertigen könne, wenn nicht wie im F-117- und B-2-Programm Tarnkappentechnik eingesetzt würde. Firmen wie Lockheed, die mit einem Delta-Canard-Kampfflugzeug mit keilförmigen Baucheinlauf und
vier halbversenkten Luft-Luft-Raketen antraten, waren deshalb gezwungen, ihre Entwürfe komplett zu überarbeiten.
Auch die Sowjetunion startete mit dem elften Fünfjahresplan die Entwicklung eines neuen Kampfflugzeuges. 1983 wurde Mikojan-Gurewitsch mit dem MFI-Projekt beauftragt, das sich am EFA und ATF
orientierte. Frankreich baute in der Zwischenzeit einen flugfähigen Demonstrator, der den Namen Rafale A erhielt und am 4. Juli 1986 auf der Luftwaffenbasis in Istres seinen Erstflug absolvierte.
Gleichzeitig wurde mit der Entwicklung der MICA-Lenkwaffe begonnen, um die sowjetische Salventaktik mit Suchermix zu übernehmen. Ende der 1980er Jahre wurde in der NATO ein Memorandum of
Understanding (MoU) über zukünftige Luft-Luft-Lenkwaffen unterzeichnet. Die USA und europäische Länder einigten sich darin auf die Entwicklung der im Vergleich zur AIM-9 weiter reichenden
infrarotgelenkten ASRAAM als Ergänzung zur aktiv radargelenkten AMRAAM.
Mit dem Ende des Kalten Krieges und der Auflösung des Warschauer Paktes kam das Eurofighter-Projekt 1992 in die Krise. Angesichts der zu erwartenden hohen Kosten der Deutschen Wiedervereinigung versprach die Bundesregierung unter Helmut Kohl den Ausstieg aus dem Projekt. Der damalige deutsche Verteidigungsminister Volker Rühe warb nun für ein preiswerteres Flugzeug, das auf Basis der Eurofighter-Technik gebaut werden sollte und das als „EFA-light“ oder „Jäger 90“ bezeichnet wurde. In sieben Studien wurden verschiedene Konfigurationen untersucht. Fünf davon wären durch die Neuentwicklung teurer geworden. Die beiden einstrahligen Konfigurationen wären zwar preiswerter gewesen, hatten aber keine bessere Performance als die potenziell gegnerischen Maschinen Su-27 Flanker und MiG-29 Fulcrum. Keine der untersuchten Konfigurationen konnte die Kampfkraft des als New EFA (NEFA) bezeichneten überarbeiteten Eurofighters erreichen. Als Alternative wurde von deutscher Seite die Beschaffung der französischen Dassault Rafale in Erwägung gezogen. Die politischen Überlegungen wurden von der Luftwaffe nicht geteilt. Der damalige Inspekteur der Luftwaffe, Jörg Kuebart, sagte, dass die einzige Alternative zum EFA weniger EFA seien.
Auch in Großbritannien wurde über die Beschaffung eines alternativen Kampfflugzeuges nachgedacht. Allerdings wurde ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis bei hoher Leistungsfähigkeit gefordert. Dabei wurde auch eine mögliche Beschaffung der in Entwicklung befindlichen YF-22 diskutiert. Deshalb wurden British Aerospace und die Defence Research Agency (DRA) mit einer Performance-Studie beauftragt, welche die Kampfkraft verschiedener moderner Kampfflugzeuge evaluieren sollte. Dabei wurde nur der Luftkampf außerhalb der Sichtweite des Piloten untersucht, da hier die Vorteile der YF-22 durch Tarnkappentechnik und Supercruise am größten sind. Der Vergleich basierte auf bekannten Daten dieser Flugzeuge; als gegnerische Maschine wurde eine modifizierte Su-27 Flanker (vergleichbar mit der Su-35 Super Flanker) angenommen. Die Studie kam zu dem Schluss, dass der Eurofighter etwa 80 % aller Luftkämpfe gewinnen würde, während die Chancen einer YF-22 bei etwa 90 % lägen. Da die Kosten für die YF-22 auf 60–100 % über denen des EFA geschätzt wurden, kam der zuständige Staatsminister für Rüstungsbeschaffungen Jonathan Aitken – der vorher das EFA ablehnte – zu dem Schluss, dass der Eurofighter die kosteneffektivste Lösung sei. Die Beschaffung des Eurofighters wurde daraufhin von britischer Seite weiterverfolgt.
In der Zwischenzeit stand Italien vor dem finanziellen Kollaps und wollte wie die Bundesregierung aus dem Eurofighter-Programm aussteigen. Eine diplomatische Intervention der britischen Regierung
führte aber wieder zu einem Stimmungsumschwung, wodurch Deutschland politisch isoliert war. Da Deutschland bei einem Ausstieg die anderen Länder finanziell hätte entschädigen müssen, einigten
sich der deutsche Bundesminister der Verteidigung Volker Rühe und sein britischer Amtskollege Malcolm Rifkind 1992 beim NATO-Treffen in Gleneagles auf eine Weiterführung des Projektes. Auf dieser
Ausstiegs-Klausel hatte Deutschland zuvor bestanden aus Furcht, die kleineren Partner würden das Programm verlassen. Während das EFA mit einer Leermasse von 9750 kg eine Waffenlast von 6500 kg
transportieren sollte, wurden 1992 in einer Überarbeitung der Verträge die Anforderungen angepasst. Für das neue EFA wurde die Lebensdauer des Flugwerkes von 3000 Stunden auf 6000 Stunden
verdoppelt und die Waffenlast von 6500 kg auf 7500 kg erhöht, wodurch die Leermasse des Flugzeuges von 9750 kg auf 11.000 kg anstieg. Vermutlich wurde auch die Drosselung der EJ200-Triebwerke im
Frieden auf 60 kN trocken und 90 kN nass vereinbart, um deren Lebensdauer ebenfalls zu verdoppeln. Das Projekt EFA/Jäger 90 wurde daraufhin in „Eurofighter 2000“ umbenannt. Deutschland wollte
dabei aus Kostengründen das Radar AN/APG-65 integrieren und auf das Selbstschutzsystem verzichten, Großbritannien wollte keine Bordkanone einbauen. Letztlich wurden auch diese Sonderwünsche
aufgegeben, so dass bis auf die Änderung der Massen und Lebensdauer das neue EFA dem alten EFA entsprach. Martin Friemer (MBB, Technischer Direktor des Eurofighter-Projekts) bezeichnete
rückblickend das Verhalten der Bundesregierung als nicht hilfreich. Der unabhängige Verteidigungsanalyst Paul Beaver war der Ansicht, dass alle Versuche des deutschen Bundesministers der
Verteidigung Volker Rühe, das Flugzeug preiswerter zu machen, nie durch Fakten fundiert waren und schätzt, dass die Kosten für den Eurofighter durch die Verzögerungen und das Redesign um 40–50 %
erhöht worden sind. Ein Grund für die Verspätung sei auch die Entwicklung des Flugkontrollsystems durch Deutschland gewesen, was nur mit Hilfe von Außen gelang.
Nachdem die Weiterführung des Projektes gesichert schien, wollte Rühe die Zahl der deutschen Bestellungen auf 140 Flugzeuge reduzieren, aber den deutschen Arbeitsanteil am Projekt unverändert bei
33 % lassen. Nach einem weiteren Verhandlungsmarathon konnte man sich nach Abschluss des endgültigen Produktionsvertrages im Jahr 1997 auf 232 Flugzeuge für Großbritannien, 180 für Deutschland,
121 für Italien und 87 für Spanien einigen. Der Arbeitsanteil wurde zwischen British Aerospace (37,42 %), DASA (29,03 %), Aeritalia (19,52 %) und CASA (14,03 %) neu aufgeteilt. Großbritannien
übernahm nun die Führungsposition im Projekt und das Flugzeug wurde in Eurofighter Typhoon umbenannt.
Während der politischen Verhandlungen wurde die Entwicklung des Eurofighters durch Industrie und Militär weiter vorangetrieben, als Auslieferungsdatum wurde das Jahr 2002 angepeilt. Am 27. März
1994 startete der erste Prototyp DA1 in Deutschland zu seinem Erstflug. Die Flüge der Prototypen DA1 und DA2 fanden noch mit den RB199-Triebwerken des Tornado-Kampfflugzeuges statt, da das
Eurojet-EJ200-Triebwerk noch nicht einsatzfähig war. Am 4. Juni 1995 startete DA3 in Caselle bei Turin mit dem neuen Eurojet-EJ200-Triebwerk zu einem Erstflug und im März 1997 flog in
Großbritannien erstmals auch die Zweisitzerversion. Am 21. November 2002 kam es beim 323. Testflug mit Vorserien-Triebwerken rund 100 Kilometer südlich von Madrid zum Absturz des Prototyps DA6.
Zum Zeitpunkt der Zündung der Nachbrenner waren die Schubdüsen beider Triebwerke noch nicht vollständig geöffnet, der entstehende Rückstau führte zu einem Flammabriss. Aufgrund des daraus
resultierenden Ausfalls der Hydraulik war das Flugzeug nicht mehr steuerbar und stürzte ab. Es wurde dabei völlig zerstört, die zweiköpfige Besatzung konnte sich mit den Schleudersitzen retten.
Im Jahr 2002 war absehbar, dass das angepeilte Datum für die Auslieferung der ersten Serienmaschinen nicht eingehalten werden konnte, auch war am Ende des Jahres nicht absehbar, wann dies der
Fall sein würde. Zusätzlich wurden in den Jahren 2000 bis 2002 insgesamt 1400 Komponenten geändert. So wurden im Cockpit die CRTs durch Flüssigkristallbildschirme ersetzt, ein
g/AoA-Override-Schalter eingebaut um höhere Anstellwinkel, Lastvielfache und Geschwindigkeiten erfliegen zu können und ein Panikknopf integriert, der die Maschine bei Orientierungsverlust am
Horizont ausrichtet und in einen leichten Steigflug versetzt. Die Möglichkeit, aktive Radarstörsender – konkret wurde der Texas Instruments GEN-X evaluiert – über die Dispenser abwerfen zu
können, wurde fallengelassen.
Im Jahr 1994 begann Großbritannien mit den Future Offensive Air System (FOAS) Studien, welche ein Nachfolgemuster für den Panavia Tornado hervorbringen sollten. Im Laufe der Untersuchungen wurde
festgestellt, dass ein Kräftemix aus bemannten Kampfflugzeugen, Kampfdrohnen (UCAV) und Marschflugkörpern die beste Lösung sei. Eine europäische Kooperation wurde angestrebt und mit Frankreich
verwirklicht. Deutschland zeigte Interesse beizutreten. Frankreich stieg später aus dem Projekt aus, welches daraufhin im Jahr 2005 beendet wurde. Eine Variante des Eurofighters wurde dabei von
den Briten als Hauptplattform für FOAS angesehen, sodass in Zukunft Erkenntnisse der FOAS-Studien wie ein synthetisches Cockpit, stärkere Triebwerke für Mach-2-Marschflug, Conformal Fuel Tanks,
„Signaturkontrolle“, Waffenschacht, Sprachsteuerung von Drohnen, Energiewaffen und leistungsstarke Datenlinks in das Eurofighter-Projekt einfließen werden.
Im Jahr 1999 flogen DA4 und DA5 erstmals mit der Serienversion des CAPTOR-Radars, und es wurde mit der Softwareentwicklung der Sensoren begonnen. Dazu wurde das Radar in eine One-Eleven
eingebaut, welche als (O-Ton) „Hack“-Flugzeug verwendet wurde. Nahkampfmodi, bei denen die Dynamik des Fluggerätes eine Rolle spielt, wurden mit den DAs erprobt. Die Hack-Flüge von PIRATE mit
einer Dassault Falcon sollten Ende 1999 stattfinden, verschoben sich aber auf 2001. In diesem Jahr stand auch das DASS und Link 16 zur Verfügung, sodass bis 2004 die Sensorfusion fertig
programmiert werden konnte.
Am 13. Juni 2003 wurde schließlich der erste seriengefertigte Eurofighter der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Bundeswehr nahm die Maschine am 4. August 2003 ab.[24] Die offizielle
Truppeneinführung bei der deutschen Luftwaffe erfolgte am 30. April 2004 mit der Indienststellung von sieben zweisitzigen Eurofighter als Ausbildungsstaffel beim Jagdgeschwader 73 „Steinhoff“ in
Laage. Im Februar 2005 fanden in Schweden erste Einsatzprüfungen in kalten Wetterzonen statt, im folgenden Sommer Hitzetests im spanischen Morón de la Frontera. Gleichzeitig wurde mit dem Bau der
Simulatoren an den deutschen Standorten Laage, Neuburg und Nörvenich sowie den anderen Eurofighter-Nutzerländern begonnen. Diese werden zur Ausbildung und Umschulung von Piloten auf den
Eurofighter sowie zur Entwicklung und Erprobung von Einsatztaktiken und -szenarien verwendet. Da Luftgefechte mit Lenkwaffen nicht trainiert werden können, stellen Simulatoren die einzige
Möglichkeit hierfür dar. Durch die Vernetzung zwischen Cockpit- und Missionssimulatoren lassen sich außerdem Einsätze mit mehreren Teilnehmern im Verband oder gegeneinander üben.
Da teilweise Techniken oder finanzielle Mittel nicht zur Verfügung standen, wurden in den nachfolgenden Jahren Waffensysteme integriert, die Flugenveloppe erweitert und die volle Avionik
eingerüstet. Das komplette Praetorian-Selbstschutzsystem (DASS) steht zum Beispiel erst ab Tranche 1 Block 2B zur Verfügung und der erste PIRATE-Sensor wurde am 2. August 2007 in einem
Tranche-1-Block-5-Flugzeug an die Aeronautica Militare ausgeliefert.[25] Das Helmet Mounted Symbology System (HMSS) ist erst seit Januar 2011 verfügbar.[26] Die erste Kampfwertsteigerung Phase 1
Enhancement (P1E) wurde Ende 2013 für Tranche-2-Maschinen durchgeführt.